Ich hatte gerade Abi gemacht und mir einen Zivildienstplatz beim Roten Kreuz besorgt, weil ich mal hineinschnuppern wollte, ob Medizin was für mich sein könnte. Nach vier Wochen Rettungsschule und Anästhesie-Praktikum im Krankenhaus kam endlich der erste Dienst, gleich 24 Stunden-RTW. Ich war nervös, doch der Tag fing ruhig an: Kreislaufbeschwerden, Wetterfühligkeit und ein Fehleinsatz. Dann kam die Meldung: „1-83-2, leblose Person auf dem Waldfriedhof“. Wir dachten erst, die Leitstelle macht sich über uns lustig, wo soll eine leblose Person sonst sein?

Die Leitstelle meinte es aber doch ernst, auf einer Beerdigung sei ein Mann, ca. 50 Jahre alt, sonst immer gesund, leblos zusammengesackt. Ersthelfer hätten bereits begonnen zu reanimieren, der Notarzt sei verständigt, hätte aber 25 Minuten Anfahrt. Die beiden Ersthelfer waren Bekannte des Patienten und hatten sich sofort um ihn gekümmert. Der Mann machte die Herzdruckmassage, die Frau Mund-zu-Nase-Beatmung. Damals 1993 noch 5 zu 1. Die Beiden machten wirklich gute Arbeit, so dass wir schnell unsere Sachen auspacken konnten. Der Kollege bereitete Sauerstoff, Ambu-Beutel und Guedel-Tubus vor, ich klebte die Paddels für den Defi. Dann übernahmen wir die weiteren Maßnahmen. Der Patient war bewusstlos, hatte weite Pupillen, keine Atmung und keinen Puls. Wir setzten die Beatmung mit Sauerstoff und Ambu-Beutel sowie die Herzdruckmassage fort. Das EKG zeigte grobes Kammerflimmern. Da der Notarzt noch weit weg war (und es 1993 noch keine automatischen Defis gab) entschlossen wir uns, im Rahmen der Notkompetenz ohne Notarzt zu defibrillieren, leider ohne Erfolg. Wir setzten Beatmung und Herzdruckmassage fort und schockten noch einmal (damals noch monophasisch mit aufsteigenden Joules), leider weiter ohne Erfolg.

Endlich traf der Notarzt ein. Er intubierte den Patienten, so dass wir den Patienten an die Beatmung anschließen konnten und ein paar Hände zusätzlich frei bekamen. Dann legte der Notarzt einen Zugang in die Jugularis externa und wir konnten dem Patienten Adrenalin geben – weiter ohne Erfolg. Wir waren mittlerweile über eine dreiviertel Stunde dabei und wollten fast aufgeben, da auch ein Versuch mit Natriumbicarbonat zu puffern nicht geholfen hatte. Dann fiel dem Rettungsassistenten ein, wir haben doch jetzt „dieses neue Medikament, anstelle von Lidocain.“ Er meinte Amiodaron. Und tatsächlich, nach der zweiten Ampulle Amiodaron und nochmal defibrillieren sprang der Patient in einen tachykarden Sinusrhythmus um und wir konnten ihn transportieren.

Ich hatte in der nächsten Woche den Patienten noch einmal im Krankenhaus besucht. Eine Ursache für das Kammerflimmern konnte nicht gefunden werden, er hatte aber in der Zwischenzeit einen AICD implantiert bekommen, so dass er geschützt wäre, wenn so etwas noch aufträte.

Er hatte keinerlei neurologische Ausfälle und arbeitete schon wieder an irgendwelchen Programmen für sein Computerladen. Dieses tolle Ergebnis verdankt er vor allem den beiden Ersthelfern, die ohne langes Zögern genau das richtige getan haben.

Mein „erstes Mal“ – Tim U.